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„Macht das Tor auf!“ – Die ADO und der Mauerbau

Ein Beitrag von Clara Wächter und Bo Metz

Was dachten die Schüler*innen der ADO, als die Mauer gebaut wurde?

Im Schularchiv gibt es eine spannende Quelle: Eine Aufzeichnung einer Radiosendung des „Senders Freies Berlin“ mit Schüler*innen der ADO, kurz nachdem die Mauer gebaut wurde. Was bedeutete der Mauerbau für die Schüler*innen der ADO konkret? Denn die Mauer war nicht weit von der ADO entfernt.
Die Mauer und der Mauerbau waren in ganz Deutschland ein kontroverses Thema. Es ist also kein Wunder, dass so auch an den Schulen darüber diskutiert wurde. Als Schüler*nnen der ADO haben wir uns die Frage gestellt, was deren Meinungen in einer Zeit waren, als sich Schule und Alltag um einiges von heute unterschieden haben.

Quelle: Wilfried Wünsch (rechts im Bild, Abitur 1957). Typische Szene von Schülern der Oberstufe Ende der fünfziger Jahre: Die Jungen trugen Schlips und Sakko, oft einen Mantel. An der Außenwand der Schule erkannt man auf dem Schild: „I. Oberschule (wisseschenschaftlich-technischen Zweiges)“, wie die ADO damals hieß.

 

Quelle: Die Schülerzeitung „Die Pauke“ 4/1961 mit einer Liste der Schüler*innen, die 1961, also kurz vor dem Mauerbau, an der ADO das Abitur bestanden haben.

Berlin über Nacht geteilt

In der Nacht zum 13. August 1961 hatten die Schüler*nnen der ADO gerade Ferien, als mitten durch Berlin die Berliner Mauer gezogen wurde. Geplant war sie schon länger: Deutschland war in zwei deutsche Staaten geteilt – die DDR (Deutsche Demokratische Republik) und die BRD (Bundesrepublik Deutschland). Berlin lag innerhalb Ostdeutschlands und war ebenso geteilt. Die Flucht aus der DDR war eine Straftat, die Grenzen wurden überwacht. Aber über West-Berlin war es bis 1961 möglich, die DDR zu verlassen. In der Zeit bis 1961 flohen über 4 Millionen Bürger aufgrund von politischer und wirtschaftlicher Unfreiheit, eine halbe Million davon über Westberlin, sodass der DDR ein Wirtschaftskollaps drohte. Der Regierungschef Walter Ulbricht hatte schon länger in Erwägung gezogen, eine Mauer zu bauen, brauchte aber noch die Zustimmung des sowjetischen Machthabers, Nikita Chruschtschow. Kurz davor sagte Ulbricht noch: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen…“. Eine Lüge, wie sich bald heraus stellte, denn am 13. August wurde Westberlin über Nacht ringförmig abgeriegelt. Mit der Zeit wurde die Mauer weiter verstärkt, sie wurde breiter und höher, es entstanden Wachtürme, Selbstschussanlagen und Tag und Nacht wurde an der Grenze patrouilliert. Im Zusammenhang mit der Mauer starben 140 Menschen, die meisten davon durch Fluchtversuche, da die Mauer scharf bewacht wurde.

Schüler*innen der ADO wollen es genau wissen

Nachdem die Mauer gebaut wurde, hatten einige Schüler*nnen der ADO die Möglichkeit, mit dem damaligen Innensenator von West-Berlin, Joachim Lipschitz, für einen Radiobeitrag des „Senders Freies Berlin“ zu sprechen. Nach diesem SPD-Politiker, der selbst Soldat im Zweiten Weltkrieg gewesen war, wurde auch die Lipschitzallee benannt.
Die Schüler*nnen sprachen mit Lipschitz über unterschiedliche Aspekte. Anfangs ging es darum, welche Rolle der Senat beim Bau der Berliner Mauer gespielt hat. Hätte mehr getan werden können? Da waren auch die Schüler*nnen unterschiedlicher Meinung: Einerseits wurde vom Westen wenig unternommen, als die Mauer gebaut wurde, andererseits konnte der Berliner Senat auch wenig dagegen tun. Die drei oder vier Lautsprecherwagen, die damals zur Information und als Warnung an die Bevölkerung eingesetzt wurden, waren viel zu wenig. Die Schüler*nnen stimmten in der Diskussion mit Joachim Lipschitz zu, dass der Berliner Senat nichts gegen die Mauer tun hätte tun können, ohne den Weg der Rechtstaatlichkeit zu verlassen. Außerdem hätten Maßnahmen gegen die Mauer vor allem der Bevölkerung der DDR Schaden zufügen können, denn Gewalt oder gar die Zerstörung der Mauer mithilfe des Militärs der Alliierten hätte die Situation unberechenbar verschlimmern können. Die Schüler*innen kritisierten auch, dass der Senat die Bürger dazu hätte aufrufen sollen, die Ostberliner*nnen zu informieren. Lipschitz entgegnete aber, dass das etwas sei, was der Senat aus rechtlichen Gründen (Verbreitung von Propaganda) nicht tun konnte und nur die Bevölkerung von sich aus hätte machen müssen.

Das war ein sehr diplomatische Antwort, denn die Bundesrepublik versuchte, die Auseinandersetzung zwischen den deutschen Staaten möglichst zu vermeiden. Die Diskussion, ob der Westen mehr hätte tun müssen, ist sehr interessant: Die Schüler*nnen waren allgemein davon überzeugt, dass „der Westen“, also die Alliierten und die Regierung der Bundesrepublik, sich von der Sowjetunion und der DDR nicht so viel hätten gefallen lassen sollen, wie beispielsweise bei der Berlin-Blockade (West-Berlin wurde nach der Einführung der neuen Währung in den drei westlichen Besatzungszonen im Juni 1948, bis zum Mail 1949 von der Versorgung abgeriegelt) oder auch bei der Zahlung von Gebühren für die Nutzung ostdeutscher Verkehrswege. Lipschitz hielt dagegen, dass der Westen die Berlin-Blockade „gewonnen“ habe. Die West-Alliierten blockierten als Reaktion darauf alle Lieferungen in die sowjetisch-besetzte Zone (SBZ) und lieferten durch eine „Luftbrücke“ alles Lebensnotwendige mit Flugzeugen nach West-Berlin.

https://www.ado-journal.de/wp-content/uploads/2023/07/230706_Lipschitz_01.mp3

 

Drohte ein Dritter Weltkrieg?

Die Schüler*nnen äußerten die Sorge, dass die Lage zwischen Ost- und Westberlin sich weiterhin zuspitzen und es zu unüberlegten Handlungen der Bevölkerung kommen könne. Die größte Sorge vieler Leute war ihrer Meinung nach, dass eines Tages zu einem „Großer Knall“ käme. Damit war gemeint, dass die Sowjetunion irgendwann nach West-Berlin einmarschiert. Die Schüler*innen hatten große Bedenken, daß die Lage zwischen Ost und West so angespannt sei, dass es möglicherweise sogar zu einem Atomkrieg kommen könne, da beide Seiten (Sowjetunion und die westlichen Staaten/Länder, hauptsächlich USA) Atomwaffen besaßen. Der Schüler*innen meinten, dass sie nur noch aufgrund ihrer Hoffnung in Berlin wären, dass sich die Lage verbessern und es nur deshalb nicht zu einem Einmarsch käme, da jeder genau wüsste, dass es dann einen verheerenden Krieg gäbe.

https://www.ado-journal.de/wp-content/uploads/2023/07/230706_Lipschitz_02.mp3

 

Der Mauerbau geht die Schüler*innen etwas an

Ein wichtiges Medium, durch das die damaligen Schüler*innen der ADO ihre Meinung ausdrücken konnten, war die Schülerzeitung, die zum Zeitpunkt des Mauerbaus unter dem klangvollen Namen “Die Pauke” herausgegeben wurde. Die Redaktion der „Pauke“ stand dem Bau der Mauer und der Absperrung West-Berlins sehr kritisch gegenüber, was sich auch stark durch die kritische Beschreibung dieser Ereignisse in ihren Artikeln zeigte. Nach der ausführlichen Auswertung einiger Artikel der Pauke haben wir folgendes festgestellt:  Die Autoren der Artikel sahen die Mauer und den Mauerbau sehr negativ und äußerten sich stark empört über die Absperrung. Der Mauerbau wurde als direktes Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als flagranter Rechtsbruch bezeichnet.

Quelle: Schülerzeitung „Die Pauke“ 3/1961. Die Aufteilung Berlins wurde in einem der Artikel mit der „Versklavung der deutschen Bürger“ gleichgestellt. Die Verfasser stellten die relevante Frage, wie die Deutschen dies so einfach hinnehmen konnten, denn die Mauer sei laut den Autoren direkt durch das „Herz der Deutschen Einheit“ gezogen worden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Redakteure druckten einen Artikel mit Ausschnitten einer Rede des damaligen „Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen“ (die Bundesrepublik ging offiziell immer davon aus, dass sich die beiden deutschen Staaten wiedervereinigen würden). In seinem Artikel formulierte Ernst Lemmer mehrere Maßnahmen, mit denen die deutsche Jugend zur Wiedervereinigung beitragen konnte.

Quelle: Schülerzeitung „Die Pauke“ von 4/1961. Er riet zum Beispiel, dass die Jugend sich gegen das kommunistische System wehren und nicht zu überzeugten Anhängern desselben werden sollte. Die gesamte deutsche Jugend sollte damals außerdem „ihre Abwehr verstärken“. Dies sah er besonders nach dem Bau der Mauer als besonders relevant an. Lemmer empfahl des Weiteren, dass die Jugend des geteilten Deutschlands ihre oppositionelle Meinung bewahren sollte.
Quelle: Schülerzeitung „Die Pauke“ 4/1961: Eine weitere im Artikel beschriebene Maßnahme ist außerdem, dass die Jugend mitarbeiten sollte, um der Welt zu zeigen, dass sich Deutschland nicht so einfach aufteilen ließ. Die Jugend der Bundesrepublik sollte außerdem Solidarität zur Jugend des Ostens zeigen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie in dem Radiobeitrag auch erwähnt wurde, war die Mauer gegen die Bürger der DDR gerichtet und sie wurde als ein Zeichen der Schwäche seitens der DDR angesehen. So konnten einige Schüler*nnen, die im Osten wohnten und an der ADO unterrichtet wurden, nach den Ferien nicht wieder in ihre Schule zurückkehren (siehe dazu den Beitrag von Lille Bakker und Abigail Shirley – „Freunde hinter der Mauer?“). Die Schüler*nnen der ADO hielten die Mauer – wie viele Andere – für ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Deshalb forderten Sie auch – prominent auf dem Titelblatt: „Macht das Tor auf!“.

Quelle: Schülerzeitung „Die Pauke“ 3/1961, Titelblatt.

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ADO Journal – Bloggen mit Schüler*innen des Albrecht-Dürer-Gymnasiums in Berlin

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Das Blog wird vom gemeinnützigen Verein Vincentino e.V. in enger Zusammenarbeit mit den Schüler*innen und Lehrkräften durchgeführt.

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